INHALTSVERZEICHNIS
VorgeschichteTag 1 - Bohol
Tag 2 - Ormoc
Tag 3 - Tagloban
Tag 5 - Cabayog
Tag 7/8 - Donsol
Tag 8/9 - Lucena
Tag 10/12 - Malabacat
Tag 12 Finale Manila
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Tag 10–12 Lucena-Manila-Malabacat–Manila
Ein Blick auf die Karte verrät, wir dürfen uns auf eine weitere Herausforderung gefasst machen. Egal wie man die Sache auch dreht, der Weg zum wohl bekanntesten Vulkangebiet der Philippinen, dem Pinatobu führt unweigerlich durch Manila-City. Ein Moloch. 20 Millionen Einwohner inoffiziell. Verkehrschaos pur und wir müssen mitten durch. Am morgen beim Frühstück drucksen Kurt, Rainer und ich bei der Frage nach der Distanz etwas herum. Naja so um die 80 Kilometer bis zur Autobahn, und dann noch mal 60 bis Manila. Und dann ? Vielleicht noch 100 Kilometer bis zum Ziel. Wenn wir Glück haben finden wir gleich den richtigen Weg. Und dann gibt es ja auch noch den North Express Highway. Wolfgang warnt. Der NEX ist nur für Maschinen ab 400 Kubik zugelassen. Kurt winkt ab.
Dass schaffen wir schon irgendwie. Wir haben doch eine „Special Permition“ vom Gouverneur.
Wir starten und erleben unsere größte Herausforderung der gesamten Tour.
Denn nichts kommt so wie geplant und alles ist anders.
Die Jungs albern rum. Der Wetterbericht verspricht Sonnenschein. Wir beherrschen inzwischen die Maschinen aus dem FF und fühlen uns nach der Ruhephase in Lucena wieder wie die Ritter der Landstraße. Und dann endlich mal eine richtige Autobahn vor uns. Die Südautobahn nach Batangas. Wir sind so voller tatendrang, dass wir gleich ersteinmal die Zufahrt verpassen und den Verkehr auf dem Autobahnkreuz nach Taal. In Deutschland wären wir wohl die Fahrerlaubnis losgewesen, nach dem Wendemanöver. Auf Luzon gibt es nicht einmal ein Hupkonzert. Wir finden den Highway und brausen mit Anschlag Gasgriff und 100 kmh über die Piste in Richtung Manila. Ich habe ein mulmiges Gefühl im Bauch. Manila ist der Hexenkessel schlechthin und wie ich Kurt kenne, ahnt der den Weg mehr, als dass er ihn wirklich kennt. Manila ist nicht Cebu, obwohl auch diese Stadt schon ihre fahrerischen Herausforderungen zu bieten hat. Manila aber ist ein Hexenkessel. Die Stadt besteht aus mehreren Ringen. Man muss nur den Richtigen finden, dann könnte man den NEX, den North Express Highway relativ leicht finden. Manfred und ich übernehmen die Spitze. Wir waren beide gerade erst ein paar Tage in Thailand mit Mopeds unterwegs und trauen uns zu, die Kolonne heil durch Manila zu lotsen. Eine klassische Form von Selbstüberschätzung, merken wir später. Aber wir haben noch Spaß.
Kurz vor Manila eine Raststätte. Wolfgang ist schon wieder im Souvenierladen verschollen, ich finde einen Stand mit frischem Mangosaft, Manfred schüttet sich noch schnell einen Aufputschdrink mit viel Zucker und Koffein ein und wir versuchen auf einer Karte den optimalen Weg zu finden.
Dann geht es los. 2 Stunden haben wir geplant, nach 2 ½ Stunden stehen wir auf einem inneren Ring an einer Tankstelle und wischen uns den Schweiß und Staub aus den Augen. Aber noch wissen wir genau wo wir sind und dass ist schon mal nicht schlecht.
Ich entdecke am Straßenrand einen Citypolizisten mit einem Moped und bitte ihn ganz schnell uns zum NEX zu geleiten. Der Mann ist ein absolutes Ausnahmemodell philippinischer Männer und begreift sofort meine Bitte und … und das ist besonders erstaunlich, er reagiert sofort. Mit einer Trillerpfeife im Mund und rudernden Armen bringt er für uns selbst auf den größten Kreuzungen den Verkehr zum Erliegen. Riesige Überlandtrucks stoppen vor dem kleinen Mann mit der gelben Weste und der zwitschernden Trillerpfeife. Er fühlt sich wie Rambo und wir genießen die freie Fahrt.
Dann zeigt er an, ab jetzt nur noch geradeaus. Hier endet sein Zuständigkeitsbereich. Ich drücke ihm schnell noch 300 Peso, umgerechnet 5 Euro in die Hand. Er strahlt. Wir haben nur 3 ½ Stunden gebraucht, um quer durch Manila zu fahren. Der Highway ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Wir jubeln und sind stolze Helden. Siegessicher steuern wir die riesige Mautstelle an. 20 Spuren. Polizei wohin man schaut. Unser Pickup steuert auf die mittlere Spur und fährt nach Entrichtung der Mautgebühr problemlos durch. Wir klemmen uns hinter den Truck. Doch plötzlich Aufregung um uns herum. Die Schranke fällt. Wir werden von Polizisten umringt. „Not allowed for 200 ccm“ schnattert ein kleiner Officer mit vielen Abzeichen. Wir stellen uns dumm. Kurt kommt aus dem Pickup zurückgerannt und wedelt mit den Armen. Immer mehr Polizisten umringen uns. „Not allowed, go back“, tönt es von allen Seiten. Special Permition kräht Kurt zwischen all die aufgeregten Polizisten und er fingert auf seinem Handy herum. Wären da nicht all die Pumpguns um uns herum, die Situation wäre wahrhaftig zum Schiessen komisch. Kurt beschwört den Polizeichef von Manila am Telefon uns eine Eskorte zu schicken, parallalel beschimpft er auf Fränkisch-Englisch den kleinen Policeofficer. Es ist zum Kugeln.
„Luck hier, wiii have a spääschel permischen…wii känn dreive hier. Ei koll de Gouverneur…ei koll de Polizeipräsident…“ Kurt ist in seinem Element. Der Mann aus Franken spricht sonst sogar Visayas und ein bisschen Tagalog, zwei weitverbreitete philippinische Dialekte, aber dieser stoische Policeofficer wirft ihn völlig aus der Bahn.
Der Officer bleibt ganz cool. Nur einen Satz, den er immer nur wiederholt “…not allowed for 200 ccm.“ Keine Chance für uns. Kurt tobt wie ein HB-Männchen. 80 Kilometer bis zum Ziel … auf dem Highway wären es nur 60 Minuten. Not allowed for 200 ccm !
Auf der Nationalroad sind es auch nur ein paar Kilometer mehr, aber dafür der blanke Horror beim Verkehr. Die Nationalroad führt durch mindestens 3 weitere Millionenstädte und die Rushhour haben wir inzwischen auch erreicht.
Wir freunden uns inzwischen mit den Polizisten um uns herum an. Kurt tobt immer noch. Wir plaudern über deutsche Autobahnen und die Sicherheit im deutschen Straßenverkehr. Und wir äußern immer wieder Verständnis für die Begrenzung auf 400 Kubik für die Nutzung des North Express Highways. Kurt wird ruhiger. Der Polizeichef von Manila kann auch nicht helfen. Der Gouverneur ist gerade nicht erreichbar und Präsidentin Aquino hat gerade ein wichtiges Gespräch auf einer anderen Telefonleitung. Der leitende Officer ist durch all das nicht zu beeindrucken und wir bewundern ihn dafür. Der Mann hat richtig Standvermögen. Und das sagen wir ihm auch. Er winkt uns durch, mit der Auflage, an der nächsten Abfahrt den Highway sofort zu verlassen. Wir versprechen es und halten unser Versprechen, wohl wissend, dass wir nun ins Chaos zurückkehren müssen und unser gesamter Plan den Bach hinunter geht. Aber die Angst vor den nervösen Fingern der Polizisten am Abzug der Pumpguns ist zu groß.
Kaum sind wir auf der Nationalroad werden wir von Trucks und Bussen eingekeilt. Stop and go und dass im fetten Dieselgestank. Wir schaffen 20 Kilometer in der ersten Stunde. Die Gruppe reißt immer weiter auseinander. Rainer und Marvin fahren vor. Mit den leichten Maschinen können sie sich sehr schnell durch die Lücken hindurch mogeln. Doch wir sind an den Pickup gebunden und der hat keine Chance. Kurt schickt mich vor, um den Weg auszuloten.
Links, rechts, Lücke hier, Standstreifen dort, bremsen, Gas geben, Schalten, Bremsen und wieder Gas … ein Hassadeurspiel, lebensgefährlich warnt das Unterbewusstsein, aber da ist auch Adrenalin pur in meinen Adern.
Die nächsten 20 Kilometer schaffe ich spielend in 20 Minuten. Ich stoppe neben einer Schmiede und warte auf den Rest der Truppe. Die Minuten verstreichen, eine halbe Stunde und kein roter Truck in Sicht. Eine Stunde ist vergangen. Ich stehe immer noch am Straßenrand und lasse all die Busse und Trucks, die ich vorhin in halsbrecherischer Art überholt habe, an mir vorbei ziehen.
Ich rufe Kurt im Pickup an…wo bleibt ihr. Wir sind gleich … da lautet die kurze Antwort. Ich frage den Schmied zum dritten Mal ob das wirklich die einzige Straße nach San Fernando ist. “Yeah, there is no other way“ lautet die Antwort. Nach weiteren 10 Minuten wieder einer ein Anruf. Kurt knurrt nur noch. „Irgendwo falsch abgebogen, wir treffen uns im Clark Bay Hotel.“ Aufgelegt. Ich packe meine Kamera wieder ein, wird nichts mit Bildern von der Truppe. Ich fahre entspannt auf der Nationalroad weiter. Staub und Dieselgestank begleiten mich.
Nach einer weiteren Stunde nicht ganz korrekter Motorradfahrt und manch gefährlichem Überholmanöver sehe ich am Horizont auf der inzwischen schnurgeraden Straße amerikanischer Bauart mehrere Rücklichter im Sonnenuntergang. Der Rest der Truppe nun plötzlich vor mir ? Ich fahre auf eine Höhe mit Andreas, der wieder den letzten Mann der Kolonne macht. Er, den normalerweise nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, grinst mich schief an.
Wo kommt ihr den her, rufe ich ihm zu. Er winkt nur ab.
Ich überhole die Gruppe. Manfred und Wolfgang drehen sich nicht einmal nach mir um. Dann bin ich auf einer Höhe mit dem Pickup und Kurt. Der schreit mich an… „bring uns hier raus“. Dann erkennt er mich und schickt deutlich entspannt hinterher… „wir haben uns total verfahren“. Später wird Kurt mir sagen, dass er mich mit seinem extra gecharteterten Scout verwechselt hat, der aber, wie so oft auf dieser Tour, versagt hat und beleidigt hinter dem Truck hinterher fährt. Irgendwie scheint dieser Typ, der seit Jahren auf den Philippinen lebt, nicht wirklich seiner Aufgabe gewachsen und so haben wir ihn sehr schnell für uns geerdet. Auf manchen wirkt eben die Sonne des Südens eher destruktiv als motivierend. Wie auch immer, Ralf und ich fahren vor den Truck. Es ist relativ leicht, denn die Straße ist inzwischen breit genug, um auch 4 spurig zu fahren und der LKW Verkehr lässt nach.
Dafür wird es innerhalb weniger Minuten stockfinster und wir müssen noch unser Hotel finden.
Am Stadtrand von Malabacat bitte ich einen Tricyclefahrer uns zum Hotel zu lotsen. Der startet auch gleich mit rasantem Tempo und wir folgen ihm durch dunkle Seitengassen und über Hinterhöfe. Aber an diesem Tag kann uns nichts mehr erschrecken. Plötzlich stoppt er vor einem hellerleuchteten Hoteleingang. Wir sind am Ziel. Das Hotel ist ein Traum. Sauber, modern mit großem Pool und sehr schönen und komfortablen Zimmern. Wir dagegen sehen aus wie Räuber. Die Gesichter sind schwarz vom Dieselruß, Weiße Streifen über Nase und Mund. Dafür sind die Halstücher, die wir als Atemschutz getragen haben farblich kaum noch zu identifizieren.
Die Mädels von der Rezeption schrecken vor uns zurück. Kurt beruhigt. Nein, dass sind keine „Abu Sayaf“, das sind deutsche Biker, die eine Massage, eine Dusche und vor allem ein kühles Bier brauchen, möglichst in umgekehrter Reihenfolge. Innerhalb weniger Minuten haben wir alles und sind begeistert. Nie schmeckte ein „San Miguel light“ so lecker wie nach diesem Tag…



