Tag 1 - Die Ankunft auf Bohol

Kurt ist genervt. An diesem Tag ist wohl alles gegen den Baum gelaufen. Der Transfer vom Flughafen zur Fähre, das Umladen und Zwischenlagern des Gepäcks in Cebu und unsere damit verbundene verspätete Ankunft in Tagbilaran. Natürlich mit vollem Gepäck. Der Philippino, der sich eigentlich um das Gepäck kümmern sollte hat sich mit keiner Silbe zu erkennen gegeben und somit liegen nun 5 dicke Tauchtaschen neben dem eh schon gut gefüllten Pickup. Dazu kommen noch die Kameraausrüstungen. Kurz und gut, Kurt platzt fast. Wir fahren zum Hotel, um dort zu erfahren…wir sollen in Zweibettzimmern schlafen. Nun platzen wir. Nach gut 48 h auf den Beinen will keiner von uns mehr die Schnarchgeräusche des Anderen ertragen.
Und eines ist sicher, jeder von uns schnarcht, wenn auch jeweils in einer anderen Tonart. Adventuretour, schimpft Kurt, ist kein Luxus. Wir sind keine Studenten mehr, kontern wir. 20 Minuten später haben wir jeder ein eigenes Zimmer und die klare Auflage von Kurt, morgen geht es los. Wir sind alle ziemlich kaputt und wollen endlich unter die Dusche. Danach sieht die Welt schon wieder viel besser aus.

1. Tag Tagbilaran - Ubay - Maasin - Ormo

Am ersten wirklichen Morgen unserer Tour gibt es frischen Kaffee und Rührei mit Schinken. Die Sonne strahlt und wir auch. Manfred versucht erst einmal sein Glück an einem der zahlreichen Geldautomaten. Der spielt aber nicht mit und so dauert die Geldbeschaffung dann doch etwas länger. Kurt schickt uns zu einem Hinterhof in der Nähe des Hotels. Der Schweiß läuft schneller den Rücken herunter, als wir selbst laufen können.

Dann erreichen wir den Hinterhof, der irgendwie eine Mischung aus Schrauberwerkstatt und Schrottplatz ist. Und dort stehen sie…6 nagelneuen Enduros von Honda – 200 Kubik, 18 Ps und maximal 5 Kilometer auf dem Tachometer. Wir sind die zukünftigen Ritter der staubigen Pisten. So fühlen wir uns jedenfalls in diesem Augenblick. Erster Motorcheck … klingt gut. Wir tauschen die Handynummern aus, jeder von uns hat sich eine philippinische Telefonkarte gekauft. Die Kosten in Asien betragen für das Telefonieren nur einen Bruchteil dessen, was man in Deutschland zahlt und man kann die Karten fast zu jeder Tages- und Nachtzeit in jedem Cafe, Restaurant oder Take away aufladen. Die Fähre nach Leyte müssen wir erreichen, egal wie, sonst verlieren wir zwei Tage, so die Order von Kurt. Das Gepäck ist verstaut, Rainer wird den ersten Tag im Pickup verbringen, Kurt die Kolonne mit dem Motorrad anführen. Wir lassen die Maschinen an, der Hof ist erfüllt von unserem Lärm und wir beginnen das große Abenteuer … 1000 Meilen !

Schon am ersten großen Kreisverkehr verlieren wir Truck und Kurt. Das fängt ja gut an. Doch wir sind auf Bohol und da kennen wir uns noch aus. Zur Fähre hat Kurt gesagt, nach Ubay. Diese Strecke sind wir schon desöfteren bei früheren Motorradtouren auf der Insel gefahren. Später erfahren wir, dass Kurt noch schnell die Biersituation in seiner Hotelanlage klären musste. Sein Hotel ist ausgebucht, es ist Wochenende und sein Barkeeper hat vergessen Bier zu bestellen. Das Telefon aber lag im Truck und so standen Kurt, Truck und Rainer in einer Seitenstraße, die wir natürlich glatt übersehen haben, als wir uns durch den dichten Tricycle- und Fahrradverkehr von Tagbilaran in Richtung Highway durchgekämpft haben.

Die Straße nach Ubay, dem Fährhafen auf Bohol ist ein neuer Highway, direkt am Meer entlang, dicht befahren von Bussen und schweren LKWs, die jeden TÜF-Experten in den Wahnsinn getrieben hätten. Mancher Brummi wurde wohl nur noch vom Rost zusammen gehalten. Blinker… Bremslichter … Fehlanzeige. Dafür funktionieren die Hupen ausgezeichnet. Von den Abgasen ganz zu schweigen, denn die gibt es reichlich aus jedem Auspuff.

Vorbei geht es mit Tempo 70 an den Sehenswürdigkeiten von Bohol, den Chocolate hills, hellbraunen Hügeln, die aussehen wie runde Pralinen, der Bacloyanchurch, einer Klosteranlage aus der spanischen Kolonialzeit mit mehr als 400 Jahren Geschichte, dem Monument vom Bloodcompact*² und immer wieder zauberhaften Buchten und über Flüsse, die an die Filmkulisse von „Apocalypse now“ erinnern.

Dann die erste Reifenpanne nach nur 20 Kilometern. Wolfgang steht am Straßenrand. Gut, daß wir die Telefonnummern ausgetauscht haben. Neue Maschinen und schon einen platten Reifen. Notruf bei Kurt und der beweist einmal mehr, wenn es wirklich eng wird, dann ist Kurt in seinem Element. Und die Zeit läuft gegen uns. Die Fähre wartet nicht.

Ein Vulkaniseur am Straßenrand behebt den Schaden innerhalb von Minuten und dabei muss er nicht einmal das Rad ausbauen. Wir sind fasziniert. Vulkaniseure gibt es an jeder Hauptstraße aus den Philippinen und die sind wahre Meister ihres Fachs.

Kurzum, wir erreichen die Fähre rechtzeitig und nach fast einer Stunde Palaver mit den zahlreichen Kontrollbeamten in unterschiedlichen Offices am Fährterminal dürfen wir verladen. Zum Glück hat Kurt noch im letzten Augenblick eine „Specialpermition“ vom Gouverneur erwirkt, ein Freibrief mit vielen Stempeln.

An Bord der Fähre werden wir alle sehr schnell vom Schlaf übermannt. 3 Stunden dröhnen der Schiffsdiesel, vibrieren der Decks und leichter Nieselregen, leichtes Schaukeln, all dass reicht aus, dass die Augen, wie hier bei Rainer fast automatisch zufallen.

Der Regen ist tropisch und warm und endet schlagartig mit unserer Landung in Maasin auf der Insel Leyte.

Dann die erste böse Überraschung. Weitere 160 Kilometer erwarten uns. Keine Chance auf ein erfrischendes Bad in den Fluten des Meeres, an dem wir nun in den nächsten Stunden vorbeifahren dürfen.

Kurt muss ein paar deftige Bemerkungen einstecken. 1000 meilen hiess für uns doch durchschnittlich nur 100 Meilen am Tag…warum muss es dann am ersten Tag gleich das Doppelte sein ? Das nunmehr neue Tagesziel liegt in Ormoc, einer großen Stadt im Nordwesten von Leyte. Die Strecke selbst ist nicht mehr ganz so entspannt auf gut ausgebautem Highway. Schlaglöcher, Querrinnen, fehlender Straßenbelag. Und immer wieder Busse und LKWs die mit fast mörderischer Geschwindigkeit ohne Rücksicht über die Straße donnern. Von entspanntem Cruisen keine Spur mehr. Dafür meldet sich zum ersten Mal auf dieser Tour das Steißbein und die darüber liegende Polsterung. Nicht zum letzten Mal, wie wir später erfahren werden.

Die dennoch malerische Strecke führt entlang an Reisfeldern, schlängelt sich durch dichtbewaldete Hügel, durch malerische Dörfer mit fröhlich winkenden Menschen. Zwischenstopp in einer quirligen Stadt namens Baybay.

Wir kehren bei „Jolly bee“ ein, einer asiatischen Fastfoodkette, die das ganze Land überzogen hat und berühmt ist für Chicken im Maismantel. Böse Zungen behaupten, man werde süchtig nach dieser Kalorienbombe. Wir wollen weiter, aber Wolfgang ist verschwunden. Irritationen. Dann taucht er nach 10 Minuten wieder auf. War noch auf der Toilette. Dabei hat er dann auch gleich noch bemerkt, daß Kurt die Hälfte seiner Ausrüstung im Jolly bee vergessen hatte. Manchmal ist ein Toilettengang eben mehr als eine sanitäre Entspannung. Dann geht es endlich weiter. Noch immer liegen gut 70 Kilometer vor uns. Wasserbüffel in sumpfigen Wiesen beäugen argwöhnisch die seltsame Gruppe von Motorradfahrern angeführt von einem knallroten Truck.

Die Sonne versinkt und die Lust aufs Biken auch. Immer mehr Insekten knallen gegen die geschlossenen Helmvisiere. Mit Einbruch der Dunkelheit dann das rettende Ortseingangsschild von Ormoc. Knapp 300 Kilometer am ersten Tag. Das Tagesziel ist erreicht. Doch wo befindet sich das Hotel ? Wir drehen ein paar Runden durch das Stadtzentrum. Hupkonzerte um uns herum, wenn wir wieder einmal die Kreuzungen blockieren und nach dem richtigen Weg suchen. Einbahnstraßen, Sperrungen, und wieder freundliche, aber augenscheinlich genauso ahnungslose Menschen wie wir selbst. Die schicken uns jedes Mal in eine andere Richtung. Dann endlich ein leuchtendes Schild direkt an der Hafenpromenade - Don Felipe, unser Hotel. Gar nicht schwer zu finden, wenn man weiß wie und wo. Wir erreichen das Hotel, verschwitzt und an den Händen auch etwas sonnenverbrannt. Wer denkt schon an UV-Schutz für den Handrückenstreifen zwischen Handschuh und Motorradjacke. Die nette Philippina an der Rezeption verweist auf ein günstiges Massageangebot. Toll, nach dreihundert Kilometern genau das Richtige, denken wir. Doch Irrtum, die Masseurinnen entpuppen sich sehr schnell als Masseusen und sind stinksauer, als wir diesen sehr speziellen Service ablehnen. So weit geht die Midlifecrisis denn doch nicht. Die Duschen in den Zimmern sind mehr als gewöhnungsbedürftig. Blanke Drähte speisen einen elektrischen Duschkopf, der das in dünnem Strahl rieselnde Wasser erwärmt. Andreas und Ralf wollen tatsächlich kribbelnde Spannung hinterm Duschvorhang verspürt haben. Wir vertiefen das Thema beim Bier und mit leckerem Gemüse gefüllten Squid, also Tintenfisch, dann doch lieber nicht. Ein mulmiges Gefühl haben wir am ersten Tag unter einer typisch philippinischen Dusche schon noch. Später werden wir mit dieser typischen Spezialität des Arbeitsschutzes viel gelassener umgehen.